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Es gibt keine Work-Life-Balance – es ist alles Leben. Das Gleichgewicht muss in dir sein.

Sadhguru

Prolog: Ist Work-Life-Balance per se gut für uns?

Ich habe lange hinter dem Konzept der Work-Life-Balance gestanden. Es schien mir ein erstrebenswertes Ziel, mehr Freizeit für den Ausgleich zur Arbeit zu erhalten. Wenn ich schon hart arbeiten muss, dann möchte ich wenigstens ausreichende Möglichkeiten zur Erholung haben.

Für mich als Berater waren es weniger Fahrtzeiten, schönere Hotelzimmer, Benefits wie ein Jobrad, der Zuschuss für das Fitnessstudio oder der klassische Kicker im Büro. Es liegt ja auf der Hand, dass ein Gleichgewicht zwischen harter Arbeit und dem Privatleben her muss. Denn neben dem Job möchten wir schließlich auch leben.

Stimmt doch, oder?

Doch das war einmal. . .

Mittlerweile denke ich anders darüber. Der Zwang, für die harte Arbeit einen Ausgleich schaffen zu müssen, klingt für mich mehr nach einer klassischen Symptombekämpfung, statt die Ursache anzupacken. Hier kommen einige Dinge zusammen, mit denen ich mich nicht mehr anfreunden kann. Doch bevor ich dir meine Sichtweise präsentiere, sprechen wir zu Beginn über das Konzept der Work-Life-Balance.

Das Konzept der Work-Life-Balance

Mit der Work-Life-Balance wird ein Zustand beschrieben, der einen ausgeglichenen Zustand zwischen Arbeit und Privatleben beschreibt. Auf der einen Seite die Arbeit, welche von den negativen Worten Stress, Anstrengung und Pflicht begleitet wird. Auf der anderen Seite die positiven und schönen Seiten des Lebens, wie Familie, Hobbys, Erholung und Spaß.

Darüber hinaus wird diesem Konzept auch die Vereinbarkeit zwischen Arbeitsalltag und Familie untergeordnet. Unternehmen werben damit, indem sie den Mitarbeitenden flexible Arbeitszeiten und Remote-Arbeit ermöglichen. So ist es möglich, zu Hause mehr für die Familie da zu sein – durch weniger Fahrtzeiten, der Möglichkeit zwischendurch private Dinge zu erledigen (Kinder abholen, Essen kochen) und vor allem der Option, die Arbeitszeit von 8 Stunden mit diversen Auszeiten über den ganzen Tag zu verteilen. Als stünde die Work-Life-Balance über dem Arbeitszeitgesetz. 

Work-Life-Balance

Die 5 Irrtümer der Work-Life-Balance

Wenn du auch das Gefühl hast, in deinem Leben für mehr Work-Life-Balance sorgen zu müssen, dann lade ich dich nun ein, das einmal zu hinterfragen.

Angenommen, du hast einen wirklich harten Arbeitsalltag. Die To-Do’s wachsen schneller, als du sie abarbeiten kannst, du bist unzufrieden mit deinem Job, mit den Kollegen und deinem Chef kommst du auch nicht klar. Hilft dir dann wirklich mehr Freizeit? Du verstehst, worauf ich hinaus möchte, oder? Das wird vermutlich nicht helfen.

Work-Life-Balance trägt vielleicht dazu bei, dass du am nächsten Tag überhaupt weiterarbeiten kannst. Doch hilft sie dir nicht, aus dieser Spirale auszubrechen. Auf härtere Arbeit folgt mehr Freizeit. So einfach ist die Gleichung nicht. Denn letztendlich resultiert der Ruf nach mehr Work-Life-Balance aus dem Wunsch heraus, die Arbeitslast zu mindern oder einfach glücklicher mit deiner Arbeit zu sein (wie auch immer du Glück für dich definierst).

Mit den folgenden 5 Irrtümern möchte ich noch tiefer darin eintauchen. 

Irrtum 1: “Arbeit muss zwingend mit Freizeit ausbalanciert werden!”

Dieser Satz impliziert, dass es sich hier um gegensätzliche Pole handelt, wie hell und dunkel, Glück und Unglück oder gut und böse. Und diese Pole müssen zwingend ausbalanciert werden. Wenn du also mehr oder härter arbeitest, dann bist du demnach im Ungleichgewicht und musst zwingend in deiner Freizeit etwas dagegen tun. 

Du erkennst diese Negativ-Spirale, die eine solche Ansicht mit sich bringt. Das Prinzip ist einfach: Mehr von dem einen, benötigt automatisch auch mehr von dem anderen. So wird auf beiden Seiten der Waage immer mehr aufgeladen. Ich denke nicht, dass das förderlich ist. 

Wenn du einmal mehr Stress hast, dann hilft es dir zwar durchzuhalten, wenn du abends noch Sport machst, spazieren gehst, meditierst oder Zeit mit der Familie verbringst. Doch langfristig dehnen sich beide Pole immer weiter aus. Du arbeitest noch mehr, dann stehst du plötzlich früher auf um morgens Laufen zu gehen. Beides schaukelt sich permanent hoch, bis du von beidem noch mehr gestresst bist.

Also versuche doch lieber, das Ungleichgewicht nicht mit mehr Quality Time auszugleichen, sondern die Lösung liegt in der Reduktion von Stress.

Irrtum 2: “Arbeit darf keinen Spaß machen!”

Wer keinen Spaß bei der Arbeit empfindet, der muss sich die Freude zwangsläufig woanders holen. Also wird die Freizeit mit spaßigen Aktivitäten ausgefüllt, damit du abends trotz Arbeit zufrieden ins Bett gehen kannst. 

Auch das ist ein wackeliges Konzept. Denn wenn dir einmal die Zeit für solche Freizeitaktivitäten fehlt, stellt sich ganz schnell ein hohes Maß an Unzufriedenheit ein. Wenn du dir den Glücks-Kick ausschließlich über die Freizeit holen kannst, bist du praktisch lebenslang dazu gezwungen dir deine Glücks-Dosis regelmäßig selbst zu kreieren und stetig zu steigern. Doch irgendwann reicht die aktuelle Dosis nicht mehr aus und es braucht etwas anderes. Ganz schön viel Druck auf den Schultern der Freizeitgestaltung. 

Ein Beispiel? Gerne.

Es soll Menschen geben, die freuen sich abends auf das Feierabendbier (oder Wein oder Whiskey). Im Gehirn wird abgespeichert, dass ein harter Arbeitstag stets mit einem Bier ausgeglichen werden kann. Du trinkst es also immer regelmäßiger und irgendwann auch vielleicht zwei oder drei BierCHEN. Und schon entwickelst du aus der positiven Absicht eine Alkoholsucht, die sich auch negativ auf den Arbeitsalltag auswirkt. Und das kompensierst du natürlich, du ahnst es bereits, mit noch mehr Bierchen. 

Das wollen wir nicht!

Es hilft dir also nicht, in der Freizeitgestaltung Kompensation für den Arbeitsalltag zu suchen. Wie wäre es, wenn du versucht in deinem Arbeitsalltag Inhalte zu suchen, die dir Spaß machen und dich glücklich machen? Dann braucht es auch den Zwang des Freizeitausgleiches nicht.

Denn Arbeit kann Spaß machen, glaub mir.

Irrtum 3: “Arbeit und Freizeit sind 2 verschiedene Lebensbereiche!”

Das ist heutzutage nicht mehr so. Denn hinter Work-Life-Balance steckt ja die Möglichkeit, während des Arbeitsalltages auch private Dinge zu tun. Problem gelöst!

Stop. Nein. Hier steckt weit mehr dahinter, als die zeitliche Komponente. Es stimmt natürlich, dass du nicht mehr 8 Stunden im Büro sitzt und mit dem Verlassen des Gebäudes die Arbeitsinhalte ausblendest, sobald die Tür zufällt. Da wir heutzutage komplexere Aufgaben zu bewältigen haben, ist unser Gehirn permanent mit der Suche nach Lösungen und Ideen beschäftigt. Die Remote-Arbeit verstärkt diesen Vorgang noch weiter, da unser Arbeitstag vielleicht auf einen Zeitraum von 12 Stunden gestreckt wird.

Doch nur weil du am Tag zwischen Arbeit und Privat hin- und herwechselst, verschwimmen die beiden Lebensbereiche nicht. Hier geht es um das Konzept der Berufung. Wenn du etwas gerne machst und / oder gut kannst, wenn du für dich sinnhafte Tätigkeiten identifiziert hast, dann kannst du das natürlich in deiner Freizeit verfolgen.

Viel besser wäre es jedoch, wenn es dir gelingt, Aspekte daraus in deinem Arbeitsalltag zu integrieren. Wenn du erfüllende Aufgaben auch im beruflichen Kontext bewältigen darfst, dann verschwimmen diese beiden Bereiche und du wirst nicht gezwungen, dem in deiner Freizeit nachzujagen. Auch wenn das natürlich viel besser ist, als dem gar nicht zu folgen.

Irrtum 4: “Arbeit hat den Zweck Geld zu verdienen!”

Es soll Menschen geben, die beantworten die Frage, warum sie diesen Beruf ausüben, mit “er wird gut bezahlt”. Wenn du nur arbeitest, um Geld zu verdienen, dann machst du dich zum Einen von der Bezahlung von Geld gegen Zeit abhängig. Sobald dein Arbeitgeber deinem Vergütungs-Anspruch nicht nachkommt, fällst du sofort in eine tiefe Unzufriedenheit. Und dann wird der Alltag sehr anstrengend. 

Zum anderen legst du den Fokus auf Gewinnmaximierung. Das kann dazu führen, dass du viele Überstunden ansammelst, um noch mehr zu verdienen. Idealerweise springt die nächste Beförderung dabei heraus. Doch damit ordnest du dich komplett dem Gehalt unter und vergisst dich und deine Bedürfnisse. Was hilft dir das viele Geld, wenn du es anschließend für die eigene Erholung ausgeben musst?

Versuche dich stattdessen auf erstrebenswerte Ziele und Arbeitsergebnisse zu fokussieren. Wenn du deine Tagesziele erreicht hast, dann war es bereits ein guter Tag. Es muss nicht immer noch höher, schneller, weiter gehen, nur weil der Tag noch weitere nicht gefüllte Stunden hat. 

Geld ist für vieles notwendig, sollte aber nicht der Hauptgrund für einen Job sein. Was würde sich für dich ändern, wenn du zwar weniger Geld, aber auch mehr Spaß während der Arbeit hättest? 

Irrtum 5: “Arbeit wird erst durch eine gute Work-Life-Balance erträglich!”

Hier kommen nun alle vorangegangen Punkte zusammen. Die harte Arbeit bedingt zwingende Ausgleichsmöglichkeiten in der Freizeit. Wer mit dieser Ansicht in die Woche startet, der durchlebt 5 Montage hintereinander, bis das Wochenende mit Spiel, Spaß und Spannung auf der Agenda steht. 

Doch angenommen, du löst dich von diesem Paradigma des Ausgleiches. Wenn du bereits deine Arbeit positiv empfindest, was gäbe es noch auszugleichen? Dann musst du dich gar nicht mehr bis zum Wochenende retten. Du bist bereits innerhalb der Woche zufrieden.

Nehmen wir beispielsweise einen Musiker, der mit seiner Band auf Tournee ist. Muss dieser sich zwingend mit Work-Life-Balance beschäftigen, damit er trotz anstrengender Tournee glücklich werden kann? Ich behaupte, er empfindet bereits Glück, wenn er auf der Bühne steht und die Menschen ihm zujubeln. Da muss nichts mehr ausbalanciert werden.

Oder nehmen wir jemanden, der Hunde liebt und 10 Stunden täglich in einer Hundeschule beschäftigt ist. Was soll hier noch ausgeglichen werden, trotz vieler Arbeitsstunden? 

Befasse dich mit der Ursache, nicht mit dem Symptom

Die Work-Life-Balance behebt nicht die Ursache

Meiner Ansicht nach ist das Konzept der Work-Life-Balance keine nachhaltige Option, um dein Leben in Balance zu halten. Wer viel Stress auf der Arbeit hat und mit den Bedingungen unzufrieden ist, der wird auf Dauer keine Befriedigung in einer besseren Work-Life-Balance finden. Denn dann braucht es weniger oder andere Arbeit, statt mehr “Life”. Der Arbeitsrausch, sollte demnach keinen Freizeitrausch nach sich ziehen. Diese Spirale schaukelt sich ansonsten immer höher, was in einem Burnout oder einer Depression enden kann. 

Anstatt sich in der Freizeit all das zu holen, was während der Arbeit fehlt, wäre es viel intelligenter, diese Bedürfnisse bereits während der Arbeitszeit zu befriedigen. Denn genau darum geht es beim Selbstmanagement. Finde heraus, was dir Spaß macht und was du gerne machst, integriere es in deinen Arbeitsalltag, stehe jeden Morgen motiviert auf und gehe zufrieden ins Bett.

Natürlich sage ich nicht, dass du nicht auch deine Freizeit für solche Dinge verwenden sollst. Selbstverständlich sollst du das auch machen. Doch nicht mit der Motivation, dadurch den harten Arbeitsalltag kompensieren zu müssen. Das erhöht den Druck nur weiter und fördert dein Stressempfinden umso mehr, wenn die Freizeitgestaltung mal nicht so funktioniert wie geplant. 

Die Ursache sind nicht die Arbeitszeiten

Das wahre Leben findet nicht zwangsweise außerhalb der Arbeitszeit statt. Wir Menschen möchten doch eigentlich arbeiten, um etwas zu bewirken. Arbeit und Leben müssen sich nicht gegenseitig ausschließen. Wenn du es schaffst in deinen Arbeitsalltag mehr Sinnhaftigkeit zu integrieren, dann stellt sich die Frage der Work-Life-Balance gar nicht. Denn dann motiviert uns die Arbeit, nicht der Ausgleich dafür.

Achte demnach auf eine ausgeglichene Lebensbalance zwischen Arbeit, Beziehungen, Gesundheit und Sinnhaftigkeit. Doch nutze auch die Arbeitszeit, um die Aspekte der sozialen Kontakte, deiner persönlichen Gesundheit und für dich sinnhafte Tätigkeiten zu integrieren. Denn dann benötigst du keine Balance zwischen Arbeit und Leben, sondern hast bereits eine langfristige Balance im Alltag. 

In meinen Augen das erstrebenswertere Ideal!

In diesem Sinne: Bleib niemals wie du heute bist!

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