“Wenn wir uns erlauben zu scheitern, erlauben wir uns gleichzeitig, uns selbst zu übertreffen.”
Eloise Ristad
Hast du dich jemals gefragt, warum bestimmte Teams herausragende Ergebnisse erzielen, während andere sich in einem Meer von Problemen verlieren?
Die Antwort könnte in der Art und Weise liegen, wie diese Teams miteinander interagieren. In Teams, die sich in einer offenen, vertrauensvollen Atmosphäre bewegen, werden Probleme nicht vermieden oder unter den Teppich gekehrt – sie werden konstruktiv angegangen. Hier arbeitet jeder Hand in Hand, um Lösungen zu finden, und es ist oft so, als würde 1 + 1 tatsächlich 3 ergeben.
Die entscheidende Grundlage für diese offene, produktive Atmosphäre ist das Konzept der psychologischen Sicherheit. Doch was verbirgt sich genau hinter diesem Begriff, und wie kannst du psychologische Sicherheit in deinem Team aufbauen und stärken?
Genau das erfährst du in diesem Beitrag, der die Grundlagen dieses wichtigen Konzepts beleuchtet und praktische Wege aufzeigt, wie du es erfolgreich in deinem Team anwenden kannst. Lasst uns gemeinsam in die Welt der psychologischen Sicherheit eintauchen und entdecken, wie sie den Weg zum Teamerfolg ebnet.
Was ist psychologische Sicherheit?
Im Kern beschreibt psychologische Sicherheit die unverzichtbare Überzeugung jedes Teammitglieds von einem geschützten Arbeitsumfeld, das frei von zwischenmenschlichen Konflikten und Missständen ist. Hier können Risiken wie das Eingestehen von Fehlern oder das Äußern von Meinungen ohne die Furcht vor negativen Konsequenzen eingegangen werden. In einem solchen Umfeld braucht niemand Bedenken zu haben, durch sein Handeln der Lächerlichkeit preisgegeben, ausgeschlossen oder bestraft zu werden.
Mitarbeitende benötigen eine sichere Atmosphäre, um sich frei zu äußern. Nur wenn sie sich sicher fühlen, dass hinter ihrem Rücken keine abfälligen Bemerkungen gemacht werden, niemand über sie spottet und keine negativen Kommentare über sie verbreitet werden, werden sie in der Lage sein, ohne Ängste alles anzusprechen, was sie beschäftigt. Hier dürfen sie ihr wahres Ich zeigen – mit all ihren Stärken und Schwächen.
Es ist wichtig zu betonen, dass psychologische Sicherheit in erster Linie in eng miteinander arbeitenden Teams oder Gruppen eine entscheidende Rolle spielt. Dies können Projektteams sein, die gemeinsam an herausfordernden Aufgaben arbeiten, oder fachlich verwandte Teams, die gemeinsame Ziele verfolgen.
Psychologische Sicherheit trägt dazu bei, ein positiv gesinntes Arbeitsklima zu schaffen, in dem jeder Mitarbeiter als gleichwertig angesehen wird und niemand gezwungen ist, eine Maske aufzusetzen. Wir betrachten psychologische Sicherheit als eine äußerst wertvolle Haltung, die sich durch Offenheit, Respekt und Mut auszeichnet.
Woher stammt das Konzept der psychologischen Sicherheit?
Nun möchte ich mit dir in die Vergangenheit blicken und darstellen, wie dieser Begriff überhaupt entstanden ist und wie damit umgegangen wird.
Amy Edmondson: Die Geburt der psychologischen Sicherheit
Um die Wurzeln der psychologischen Sicherheit zu verstehen, begeben wir uns auf eine Zeitreise in die frühen 90er Jahre. Hier, an der renommierten Harvard-Universität, trug eine außergewöhnliche Denkerin und Forscherin, Amy Edmondson, maßgeblich dazu bei, das Konzept der psychologischen Sicherheit zu entwickeln.
Amy Edmondson widmete sich in ihrer Doktorarbeit der fesselnden Frage, warum einige Teams in sensiblen Bereichen wie Krankenhäusern scheinbar weniger Fehler machten als andere. Doch die Ergebnisse ihrer Untersuchungen erschienen zunächst paradox: Die sogenannten “guten Teams” wiesen eine höhere Anzahl von Fehlern auf. Dies verwirrte Edmondson und trieb sie an, tiefer zu graben.
In weiteren Studien entdeckte sie die Wahrheit hinter diesem Rätsel. Diese Teams machten nicht mehr Fehler, sie waren einfach mutiger im Ansprechen von Fehlern. Warum? Weil sie sich in einem Umfeld der psychologischen Sicherheit befanden. Hier fühlten sich die Teammitglieder geschützt und frei, offen und transparent miteinander zu kommunizieren. Dies ermöglichte es dem gesamten Team, aus Fehlern zu lernen und sich insgesamt zu verbessern.
Projekt Aristoteles: Faktoren für effektive Teams
In der Welt der modernen Wirtschaft sollte die Frage nach den Erfolgsfaktoren von Teams nicht unbeantwortet bleiben. Der Name dieses Google-Projektes geht auf das Zitat von Aristoteles zurück “Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile”.
Zwischen 2012 und 2014 tauchte Google tief in die eigene Unternehmenskultur ein und analysierte, was die “High-Performing” von den “Low-Performing” Teams unterscheidet. Was lässt Teams erfolgreich werden? Die Erkenntnisse waren beeindruckend und erhellend.
Es kristallisierten sich fünf entscheidende Faktoren heraus: Psychologische Sicherheit, Verlässlichkeit, klare Struktur, Sinnhaftigkeit und die Auswirkung der eigenen Arbeit auf die Unternehmensziele.
Die psychologische Sicherheit thronte dabei mit Abstand an erster Stelle. Es war der Schlüssel, der den Teams ermöglichte, ihr volles Potenzial auszuschöpfen. Dieses Ergebnis untermauert die Bedeutung der psychologischen Sicherheit in jedem Team, das nach Spitzenleistungen strebt.
Weitere Erkenntnisse aus der Wissenschaft
Du weißt, dass ich zu jedem Thema immer gerne einen Blick auf die wissenschaftliche Seite werfe. Doch es würde zu weit gehen, diese hier zu vertiefen. Daher nur ein kleiner Überblick, falls du noch mehr erfahren möchtest.
Amy Edmondson hat das Konzept der psychologischen Sicherheit in verschiedenen Arbeiten und Büchern ausführlich beschrieben, darunter ihr Buch “The Fearless Organization: Creating Psychological Safety in the Workplace for Learning, Innovation, and Growth.” Hier geht sie tiefer auf die Grundlagen der psychologischen Sicherheit ein und zeigt, wie sie in Organisationen gefördert werden kann.
Es gibt zahlreiche wissenschaftliche Studien, die die Beziehung zwischen psychologischer Sicherheit und der Leistung von Teams untersuchen. Diese Studien zeigen, dass Teams mit einem höheren Maß an psychologischer Sicherheit in der Regel besser bei der Lösung komplexer Probleme, der Innovation und der Anpassung an Veränderungen abschneiden.
Um den Praxisbezug herzustellen, empfehle ich dir die vielen Fallstudien und Praxisbeispiele von Unternehmen und Organisationen, die psychologische Sicherheit erfolgreich implementiert haben. Diese Fallstudien bieten wertvolle Einblicke in die Umsetzung des Konzepts in der Praxis.
Du siehst, dass das Thema psychologische Sicherheit ein aktiver Bereich der Forschung in den Bereichen Psychologie, Organisationsentwicklung und Führung bleibt. Neue Erkenntnisse und Studien werden regelmäßig veröffentlicht, um das Verständnis für dieses Konzept weiter zu vertiefen.
Warum ist psychologische Sicherheit wichtig?
Lasst uns tiefer in die Materie eintauchen. Wir haben bereits festgestellt, dass psychologische Sicherheit DER Schlüssel zum Erfolg von Teams ist.
Aber warum ist das so? Warum spielt dieses Konzept eine so zentrale Rolle in der Welt der Teamarbeit?
Die Nachteile eines belasteten Arbeitsklimas
Hier geht es nicht um Qualifikationen, den Chef oder die Gehälter im Team. Für den Erfolg von Teams ist vor allem ein Faktor entscheidend: Wie sicher fühlen sich die Teammitglieder?
Es liegt in der menschlichen Natur, Angst vor Fehlern zu haben. Wenn Menschen in einem negativen Arbeitsklima arbeiten oder befürchten abgelehnt zu werden, zögern sie, sich voll zu engagieren. Dann wählen sie oft den einfachen sichereren Weg, anstatt die besten Lösungen zu suchen. Ihr Hauptziel ist es, nicht aufzufallen. Daher neigen sie dazu, den Konsens zu suchen, anstatt offen zu widersprechen.
Die Geschichten, die in einem Unternehmen kursieren, sind ebenso von großer Bedeutung für die psychologische Sicherheit. Wenn diese Geschichten von Bestrafungen, Angst und einer negativen Stimmung geprägt sind, fördert dies die Unsicherheit.
10 Vorteile der psychologischen Sicherheit für Teams
Doch in einem Umfeld, in dem sich die Teammitglieder sicher fühlen und Vertrauen herrscht, entwickeln sie den Mut, ihre eigenen Ideen einzubringen, auf Fehler hinzuweisen und ihre Meinungen zu vertreten.
Im Folgenden präsentiere ich euch 10 Vorteile, die zeigen, warum sich eine starke psychologische Sicherheit positiv auf die Ergebnisse eines Teams auswirkt:
verbesserte Kommunikation
In einer positiven Arbeitskultur, in der sich alle sicher fühlen, gibt es eine ehrliche und transparente Kommunikation. Dies bildet das Fundament für eine effektive Zusammenarbeit.
gestärktes Vertrauen
Das Wissen, dass die Teammitglieder die eigenen Anstrengungen oder Arbeitsergebnisse nicht gefährden werden, baut Vertrauen auf. Vertrauen in andere führt auch zu gesteigertem Selbstvertrauen.
verbesserte Fehlerquote
Das offene Ansprechen von Fehlern und die gemeinsame Lösungssuche sind förderlich für den Lernprozess aller Beteiligten und reduzieren Fehler in zukünftigen Projekten.
erhöhtes Wohlbefinden
Das eigene Wohlbefinden im Team hängt stark davon ab, wie sehr man sich einbringen kann, gehört wird und Wertschätzung erfährt. Ein vertrauensvoller Umgang miteinander steigert das Wohlbefinden jedes Einzelnen.
gesteigerte Effizienz
Das offene Ansprechen und gemeinsame Lösen von Problemen hat positive Auswirkungen auf künftige Aufgaben. Wenn alle aus den Fehlern eines jeden lernen und aktiv an Lösungen mitarbeiten, werden positive Verhaltensweisen und Lernprozesse schneller verinnerlicht.
weniger Konflikte
Die Bereitschaft, offener mit eigenen Schwächen und Problemen umzugehen, führt dazu, dass schwierige Themen schneller angesprochen und gelöst werden. Dies trägt zum Aufbau von gegenseitigem Vertrauen und Verständnis bei.
erhöhte Leistungsfähigkeit
Ein sicheres und positives Arbeitsumfeld motiviert die Teammitglieder, leistungsfähiger an ihren Aufgaben zu arbeiten.
bessere Lösungsfindung
Teammitglieder bringen Ideen ohne Vorbehalt ein, , ohne vorher abzuwägen was jemand anderes denken könnte. Dies führt zu mehr Lösungsmöglichkeiten. Sie werden vertrauter mit dem Prozess der Lösungsfindung und können diesen eigenständig durchlaufen, ohne ständig auf die Gruppe angewiesen zu sein.
gestärktes Selbstvertrauen
Positive Erfahrungen tragen dazu bei, dass jeder Einzelne positiver auf eigene Herausforderungen blickt. Die Möglichkeit, auf Teammitglieder zurückzugreifen und gemeinsam Lösungen zu finden, wird als Chance zum Lernen wahrgenommen.
gesteigertes Innovationspotential
Psychologisch sichere Teams sind risikofreudiger. Sie kommunizieren mit mehr Mut ihre Gedanken, experimentieren mit kreativeren Lösungen und bringen häufiger neue Ideen ein.
Diese Vorteile verdeutlichen die Bedeutung der psychologischen Sicherheit für den Erfolg und die Produktivität von Teams. Sie schafft ein Umfeld, in dem Menschen mutig, kreativ und engagiert arbeiten können.
Wie entsteht psychologische Sicherheit?
Psychologische Sicherheit zu schaffen ist eine anspruchsvolle Aufgabe, die Zeit und Engagement erfordert. Vertrauen, Offenheit und Mut sind keine Eigenschaften, die über Nacht entstehen. Sie müssen sorgfältig kultiviert werden und können nicht erzwungen werden.
Stell dir vor, du bist in einer dieser Feedback-Runden, in denen jeder aufgefordert wird, seine ehrliche Meinung zu äußern. Doch in der Praxis werden die Rückmeldungen oft von Zustimmung und Lob geprägt. Ehrliche Kritik oder abweichende Meinungen werden nur selten ausgesprochen. Hier zeigt sich psychologische Sicherheit in Aktion.
In einem Umfeld der psychologischen Sicherheit fürchten sich die Teammitglieder nicht davor, ihre ehrliche Meinung zu äußern. Konflikte und Sanktionen sind keine Bedrohung.
Was sind die Voraussetzungen für psychologische Sicherheit?
Damit psychologische Sicherheit gedeihen kann, müssen hinderliche Faktoren wie eine Angstkultur in Bezug auf Fehler und Feedback sowie egozentrisches Denken abgebaut werden. In Teams, in denen bereits authentische Wertschätzung und Offenheit etabliert sind, ist dies ein guter Startpunkt.
Das ultimative Ziel ist, dass das gesamte Team sich vertraut, unterstützt und offen miteinander umgeht. Dies erfordert gegenseitigen Respekt, Unterstützung, Vertrauen und offene Kommunikation. Regelmäßige Interaktionen und positive Erfahrungen sind entscheidend, um dieses Ziel zu erreichen.
Wie kann psychologische Sicherheit bewusst gefördert werden?
Abgesehen von den Tipps, die ich später in diesem Beitrag bereitstelle, möchte ich dir einige grundlegende Ansätze vorstellen, um psychologische Sicherheit gezielt zu fördern.
Beginnen wir mit einem genaueren Blick auf das Vertrauen innerhalb des Teams, denn ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen Teammitgliedern ist eine Grundvoraussetzung. Es gibt vier Dimensionen des Vertrauens, die aktiv gefördert werden können:
- Selbstvertrauen: Jedes Teammitglied benötigt ein gewisses Maß an Selbstvertrauen, um Ideen und Meinungen frei zu äußern.
- Vertrauen in andere: Es ist wichtig, ein Grundvertrauen in die anderen Teammitglieder zu haben, um Wissen zu teilen oder konstruktive Kritik zu üben. Dieses Grundvertrauen ist ein Vertrauensvorschuss, der im Idealfall zurückgezahlt, zumindest aber bestätigt werden sollte.
- Vertrauen anderer in die eigene Person: Die dritte Dimension umfasst das Erfahren des Vertrauens anderer in die eigene Person. Dies ist der umgekehrte Fall der zweiten Dimension. Hier ist es entscheidend, den oft vorausgesetzten Vertrauensvorschuss zu bestätigen. Ehrlichkeit, Zuverlässigkeit, Authentizität, Hilfsbereitschaft und Offenheit spielen hier eine Rolle.
- Externe Vertrauen fördern: In der vierten Dimension kann Vertrauen gefördert werden, indem eine Drittperson, wie zum Beispiel eine Führungskraft, Vertrauen zwischen zwei Teammitgliedern stärkt.
Wenn du dich bewusst mit dem Aufbau von psychologischer Sicherheit beschäftigen möchtest, solltest du zunächst eine Bestandsaufnahme durchführen, welche im nächsten Abschnitt erläutert wird.
Wie kann psychologische Sicherheit ermittelt werden?
Wie erkennen wir, ob Teams eine gesunde und vertrauensvolle Atmosphäre pflegen?
Die Antwort liegt in der Bestandsaufnahme.
Die Bestandsaufnahme
Der erste Schritt besteht darin, die Vielfalt der Teammitglieder zu erfassen. Ziel ist es, das Team und seine Mitglieder hinsichtlich Kommunikation, Erfahrung, Werte, Arbeitsstil und Stärken zu verstehen.
Zusätzlich kann die Teamarbeit beobachtet und analysiert werden.
Hier sind einige Fragen, die bei der Bestandsaufnahme hilfreich sind:
- Bringen alle Teammitglieder aktiv ihre Ideen ein?
- Sind alle Perspektiven willkommen und werden sie gehört?
- Werden individuelle Bedürfnisse ernst genommen und berücksichtigt?
- Gibt es Anerkennung und Toleranz für die Vielfalt im Team?
- Wird mit Fehlern konstruktiv umgegangen oder werden sie negativ bewertet?
- Unterstützen die Teammitglieder einander?
- Ist es möglich, schwierige Themen und Probleme offen anzusprechen und zu diskutieren?
Die Klassifizierung
Nun kommen wir zu einer Methode, um psychologische Sicherheit quantifizierbar zu machen.
Hierfür stehen sechs Bereiche zur Verfügung, die entweder durch mehrwöchige Beobachtungen oder durch anonyme Teamumfragen ermittelt werden können. Die Verwendung einer Skala von 1 bis 5 kann hilfreich sein, um die Ergebnisse zu bewerten.
Die Bereiche umfassen:
Wertstiftender Umgang miteinander
In diesem Bereich werden Teammitglieder ermutigt, wertschätzend auf Beiträge anderer zu reagieren. Missverständnisse werden offen angesprochen und gemeinsam geklärt.
Konstruktives Feedback & Kritik
Die Teammitglieder geben sich gegenseitig Feedback. Sie äußern auch konstruktive Kritik, sofern es angebracht ist. Fehler und Probleme werden offen angesprochen, Lösungen gemeinsam erarbeitet, und die Situation wird als Lerngelegenheit betrachtet.
Thematisierung privater Themen
In diesem Bereich wird darauf geachtet, Veränderungen im Verhalten oder in der Stimmung einzelner Teammitglieder zu bemerken und empathisch darauf einzugehen. Vertrauen ermöglicht auch den Austausch persönlicher Themen.
Umgang mit Wertverletzungen
Teammitglieder weisen sich gegenseitig auf Verstöße gegen gemeinsame Werte und Prinzipien hin und besprechen, wie damit umgegangen werden kann.
Experimente wagen
Das Team ist bereit, gemeinsam Risiken einzugehen und aus den Erfahrungen zu lernen, auch wenn dabei Fehler auftreten können.
Kontinuierliche Verbesserung außerhalb von Retrospektiven
Das Team verfolgt lösungsorientierte Verhaltensweisen und entwickelt außerhalb der regulären Team-Meetings kontinuierlich Verbesserungsvorschläge und Ideen zur Optimierung der Zusammenarbeit.
Diese Klassifikation ermöglicht es, den Grad der psychologischen Sicherheit im Team zu quantifizieren und gezielte Maßnahmen zur Verbesserung zu ergreifen.
Wie kann psychologische Sicherheit aufgebaut werden?
Wenn du ein Team leitest und dich fragst, wie du die psychologische Sicherheit in deinem Team verbessern kannst, findest du hier konkrete Tipps und Strategien.
OK, fangen wir an. Du hast das Konzept verstanden und gelernt, dass die psychologische Sicherheit DER Erfolgsfaktor für funktionierende Teams ist. Du hast auch ein Gefühl dafür, wie in deinem eigenen Team aussieht.
Dann hast du nun die Möglichkeit das Ganze von Grund auf neu zu strukturieren oder konkret an einzelnen Aspekten zu arbeiten. Für beides bekommst du hier eine Hilfestellung.
Mit diesen 4 Schritten kannst du vorgehen
Dieser Ansatz dient dem systematischen Aufbau. Hier sprechen wir über einen sehr langen Prozess, der viele weitere Aufgaben mit sich bringt. Sieh es als eine Vorgehensweise, um strukturiert das Team von Beginn an mit am Prozess teilhaben zu lassen.
Schritt 1: Festlegung von Werten / Teamregeln / Prinzipien / Leitbild
Damit dein Team eine Orientierungshilfe erhält, ist es wichtig zunächst die Spielregeln zu definieren.
Beginne mit der Festlegung von klaren Leitbildern und Teamregeln. Gemeinsam als Team könnt ihr euer Leitbild definieren, das euren gemeinsamen Zweck, eure Ziele und eure Werte beschreibt. Warum steht ihr morgens auf? Was motiviert euch? Was macht euch als Team einzigartig?
Diese Fragen helfen dabei, euer “Why” zu finden und die Sinnhaftigkeit eurer Arbeit zu erkennen.
Erarbeitet als Nächstes eure Teamwerte und Regeln. Welche Werte möchtet ihr in eurer Zusammenarbeit verkörpern? Welche Verhaltensweisen sind erwünscht, welche sollten vermieden werden?
Schritt 2: Vorleben der Werte und Teamregeln
Es kann anfangs herausfordernd sein, die festgelegten Werte konsequent zu leben. Es wird wahrscheinlich zu Verstößen gegen diese Werte kommen. Das ist normal und kein Zeichen von Boshaftigkeit. Werteverletzungen sollten jedoch bemerkt und angesprochen werden, sei es in Gruppendiskussionen oder in Einzelgesprächen.
Gemeinsam als Team könnt ihr lernen, wie ihr mit Werteverletzungen umgeht. Offenheit, Ehrlichkeit und die Fähigkeit, konstruktive Lösungen zu finden, sind hierbei von großer Bedeutung.
Es ist entscheidend, dass du als Führungskraft mit gutem Beispiel vorangehst. Wenn einer eurer Werte beispielsweise “Offenheit” ist, dann sei auch offen und ehrlich in deiner Kommunikation, selbst wenn es unangenehm ist, weil du gerade unzufrieden bist, vor großen Herausforderungen stehst oder es dir aus privaten Gründen nicht gut geht. Habt ihr euch auf Pünktlichkeit geeinigt? Dann sei unbedingt pünktlich. Und falls es einmal nicht funktioniert, kommuniziere es rechtzeitig.
Schritt 3: Teile eigene Erzählungen, Erfahrungen und Geschichten
Um das Vertrauen deines Teams zu gewinnen, ist es hilfreich, persönliche Geschichten und Erfahrungen aus deiner eigenen Vergangenheit zu teilen. Diese Geschichten können positiv, peinlich oder lustig sein, solange sie authentisch sind. Zeig dich nahbar und menschlich. Dadurch ermöglicht du deinem Team, eine emotionale Verbindung zu dir aufzubauen. Teile nur reale Geschichten und übertreibe nicht. Ansonsten verspielst du den Vertrauensvorschuss und deine Glaubwürdigkeit.
Als nächsten Zwischenschritt bietet es sich an, den Teammitgliedern Fragen zu stellen. Frage nach deren Meinung zu den besprochenen Ideen oder Lösungswegen. Frag nach ihrer Meinung zu Ideen und Lösungen, oder hole dir ihre Expertise ein, indem du vermeintlich einfache Fragen stellst. Zeige, dass es in Ordnung ist, alles zu fragen, was in ihren Köpfen herumschwirrt.
Schritt 4: Aufmerksamkeit für Situationen, in denen Eingreifen erforderlich ist
Wie bereits geschrieben, sollten beispielsweise Wertverletzungen unmittelbar angesprochen werden. Jedoch obliegt es deiner persönlichen Einschätzung, wann du eingreifst. Es ist wichtig, auf Situationen zu achten, in denen du als Führungskraft eingreifen musst, um Konflikte zu verhindern oder zu lösen.
Hier sind ein paar Beispiele, zu denen du dir einmal Gedanken über dein mögliches Verhalten machen kannst. Wie würdest du in folgenden Situation reagieren?
- Ein Teammitglied erhält auf Grund eines Beitrages von den anderen Kommentare, die wenig wertschätzend oder sarkastisch formuliert sind. “Da hast du wieder einmal nicht nachgedacht!”
- Eine Person fällt einer anderen Person ins Wort und nimmt ihr somit die Möglichkeit, die eigenen Gedanken zu Ende auszuführen.
- Ein Teil des Teams hat die eigene Arbeit unzureichend ausgeführt. Einem Teammitglied ist dieser Umstand aufgefallen und möchte es ansprechen. Die Person weiß jedoch, dass aus der offenen Ansprache vermutlich ein Konflikt entstehen wird.
- Ein Teammitglied hebt den Finger und weist auf unangenehme Risiken hin. Diese Person wird von den anderen belächelt und die Hinweise als Schwarzmalerei abgetan.
- Jedes Team hat diese Ideengeber. Du bemerkst, dass diese Person erneut die eigene Idee alleine umsetzen muss, weil niemand anderes Verantwortung dafür übernehmen möchte. Es besteht die Gefahr, dass die Person künftig keine Ideen mehr kommuniziert, um Mehrarbeit zu verhindern.
- In Diskussionen gibt es oftmals unausgeglichene Redeanteile. Manche denken so lange nach, bis andere bereits alles gesagt haben. Andere fange an zu reden und denken währenddessen nach. Du bemerkst, dass ein Teammitglied zum wiederholten Male keinen Redeanteil während der Diskussion hatte.
So kannst du gezielt an einzelnen Aspekten arbeiten
Die psychologische Sicherheit in einem Team zu verbessern erfordert oft eine schrittweise Herangehensweise. Die folgenden Punkte helfen dir dabei, an einzelnen Punkten zu arbeiten. Einen Aspekt allein zu verbessern, wird dir vermutlich nicht den gewünschten Erfolg bieten. Doch wenn deine Bestandsaufnahme bei einigen der Punkte Defizite hervorgebracht hat, kannst du auch hier ansetzen.
Meinungsabgleich anstoßen
Um den offenen Meinungsaustausch im Team zu fördern, ist es hilfreich, explizit nach Feedback und Meinungen zu fragen. Je öfter jemand die eigene Meinung teilen kann, ohne dass etwas Negatives zurückkommt, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit, dass es künftig ganz automatisch und proaktiv geschieht.
Dies kann in Form von offenen Fragen erfolgen, wie “Hat jemand eine andere Sichtweise?” oder “Gibt es Punkte, die wir übersehen haben?”.
Ebenso kann eine Einzelperson direkt angesprochen werden, wie “Ich sehe dir an, dass du es etwas anders siehst. Möchtest du deine Gedanken mit uns teilen?”.
Wertschätzender und respektvoller Umgang
Die Sprache und Verhaltensweisen im Team spiegeln das Arbeitsklima deutlich wieder. Gerade unter Stress, in hitzigen Diskussionen oder bei Konflikten zeigt sich das ungeschönte Bild. Es ist wichtig, einen respektvollen und wertschätzenden Umgangston im Team zu fördern. Kommunikations-Methoden wie die gewaltfreie Kommunikation helfen dabei, Themen offen auszudiskutieren und dennoch sachlich und wertschätzend zu bleiben.
Als Führungskraft ist es entscheidend, auf Augenhöhe mit dem Team zu kommunizieren, eigene Erfahrungen zu teilen und konstruktiv mit Kritik und Vorschlägen umzugehen.
Das Team sollte in gemeinsamen Meetings lernen, dass es erwünscht ist, jegliche Form von Fragen zu stellen, Ideen einzubringen oder auch Kritik und Probleme anzusprechen. Vor allem sollten sinnvolle Gegenvorschläge der anderen angenommen werden.
Eine effektive Feedback-Kultur ist ein weiteres Schlüsselelement. Teammitglieder sollten lernen, sich gegenseitig konstruktives Feedback zu geben. Dazu gehört es nicht nur Feedback geben zu können, sondern dies auch empfangen und aktiv einfordern zu können.
Regelmäßige Lobesworte und Dankbarkeit sind klare Indikatoren für Wertschätzung und sollten ebenso in den Arbeitsalltag integriert werden.
Fehlerkultur etablieren
Eine positive Fehlerkultur betrachtet Fehler als Lernchancen und fördert das konstruktive Lernen aus ihnen. Es ist wichtig, die Schuldfrage zu vermeiden und stattdessen den Fokus auf den Lernprozess zu legen.
Führungskräfte können diesen Prozess unterstützen, indem sie eigene Fehler zugeben und zeigen, dass Fehler Teil des Fortschritts sind. Sie dürfen sich auch mal verletzlich und menschlich zeigen und müssen nicht immer für alles eine Antwort parat haben.
Diese Haltung verhilft jedem Teammitglied, die Angst vor Fehlern zu minimieren und stattdessen Selbstbewusstsein aufzubauen. Ein gesteigertes Selbstbewusstsein führt wiederum zu einer erhöhten Bereitschaft die Komfortzone zu verlassen.
Ein Trend sind sogenannte Fuck-Up-Nights. Führungskräfte und Mitarbeitende sprechen offen über gemachte Fehler und berichten was sie daraus gelernt haben. Wichtig ist dabei, dass nicht die Fehler selbst gefeiert werden, sondern die Learnings daraus.
Freiräume verschaffen
Erhalten die Mitarbeitenden einen sicheren Rahmen für eigenverantwortliches Handeln, kann dies die Kreativität und Sinnhaftigkeit fördern. Dazu sollten Führungskräfte eher einen unterstützenden Führungsstil leben.
Durch bestimmte agile Arbeitsweisen können gewonnene Freiräume dazu führen, dass typische Risiken oder Herausforderungen früher erkannt und bearbeitet werden. Jedes Teammitglied erlernt dadurch eine höhere Anpassungsfähigkeit im Umgang mit solchen Themen und minimiert dadurch höhere Abstimmungs- oder Planungsaufwände.
Die Mitarbeitenden steigern ihr Selbstbewusstsein und können Aufgaben effektiver erledigen.
Beförderungen initiieren
Es geht hier nicht darum, möglichst alle Personen so schnell wie möglich zu befördern. Nein. Es geht darum, Personen trotz gescheiterter Projekte zu befördern.
Beförderungen sollten nicht nur aufgrund von Erfolg, sondern auch nach gescheiterten Projekten in Betracht gezogen werden. Dies zeigt, dass selbst aus Misserfolgen wertvolle Lektionen gelernt werden können. Teammitglieder, die trotz Rückschlägen ihr Bestes gegeben haben, verdienen Anerkennung und Entwicklungsmöglichkeiten.
Teamreflexion etablieren
Die Reflexion innerhalb des Teams ist ein Eckpfeiler für eine vertrauensvolle Atmosphäre. Sie sollten stets als “Safe Space” behandelt werden. Die Teammitglieder lernen dadurch, die eigenen Dynamiken und Herausforderungen besprechbar zu machen. Es geht dabei weniger um fachliche Themen, sondern um die Zusammenarbeit, die gelebten Prozesse und damit einhergehende Befindlichkeiten jedes Einzelnen.
Gut moderierte Teamreflexionen verhelfen dem Team, diesen wertvollen Schritt auf die Meta-Ebene zu machen, der ansonsten im Alltagsgeschehen untergeht.
Dabei helfen Fragen, wie “Haben wir das gleiche Bild von der Qualität unserer Leistung?” oder “Haben wir dieselben Erwartungen?”. Wenn alle ihre Sichtweise ehrlich und transparent darlegen können, wird das Verständnis für die Sichtweisen und Herausforderungen jedes Einzelnen gefördert und das Teamgefühl gestärkt.
Empathie aufbauen
Das Thema Empathie allein ist bereits ein großes Feld. Empathie ist der Schlüssel zum Verständnis und zur Förderung von Vertrauen im Team. Teammitglieder sollten sich menschlich zeigen und eigene Schwächen, schlechte Tage, Ängste oder Probleme offen zugeben dürfen.
Es ist zu verhindern, dass Teammitglieder in Schubladen gesteckt werden. Das heißt, alle sollten frei von Vorurteilen und mit Neugierde anderen gegenüber agieren. Dazu gehört auch die Akzeptanz, dass verschiedene Sichtweisen völlig in Ordnung sind.
Besonders in hitzigen Diskussionen, Konflikten oder auch bei “mutigen” Aussagen ist es wichtig, die Perspektive des Gegenübers zu verstehen und Empathie zu zeigen.
Fazit
In diesem Beitrag haben wir die Bedeutung und Entstehung der psychologischen Sicherheit in Teams beleuchtet. Wir haben erörtert, warum psychologische Sicherheit ein entscheidender Erfolgsfaktor für effektive Teamarbeit ist und wie sie entstehen kann. Sie ist das Fundament, auf dem Vertrauen, offene Kommunikation und die Bereitschaft, Risiken einzugehen, aufbauen.
Wir haben besprochen, wie psychologische Sicherheit erkannt und bewertet werden kann. Eine Bestandsaufnahme der Teamdynamik, regelmäßige Teamreflexionen und die Implementierung einer offenen Fehlerkultur sind entscheidende Schritte, um psychologische Sicherheit zu fördern.
Darüber hinaus habe ich dir detaillierte Empfehlungen zur gezielten Verbesserung der psychologischen Sicherheit in Teams an die Hand gegeben. Diese Tipps reichen von der Förderung eines wertschätzenden und respektvollen Umgangs über die Etablierung einer Feedback-Kultur bis hin zur Schaffung von Freiräumen für eigenverantwortliches Handeln.
Insgesamt zeigt dieser Beitrag, dass die psychologische Sicherheit in Teams ein komplexes Thema ist, das jedoch entscheidend für den Erfolg und die Leistungsfähigkeit von Teams ist. Mit gezielten Maßnahmen und einem bewussten Umgang damit können Führungskräfte und Teammitglieder eine vertrauensvolle und produktive Arbeitsumgebung schaffen, in der Innovation und Zusammenarbeit blühen können.
Das Wissen hat mir selbst dabei geholfen zu verstehen, warum die Zusammenarbeit in manchen Projekten mal besser oder schlechter verlaufen ist. Ich habe auch besser verstanden, warum ich in manchen Teams mal offen und mal sehr zurückhaltend agiert habe.
Wie sieht es bei dir aus? Was war neu für dich? Was möchtest du in der Zukunft einmal ausprobieren?
In diesem Sinne: Bleib niemals wie du heute bist!