Magengeschwüre bekommt man nicht von dem was man isst, man bekommt sie von dem, wovon man aufgefressen wird.
Lady Mary Wortley Montagu
Prolog: Zweiter Teil der Artikelserie zum Thema Stress
Kommen wir nun zum zweiten Teil der Artikelserie zum Thema Stress. Im ersten Teil haben wir uns sehr detailliert damit befasst, was Stress eigentlich ist, welche Stressoren es gibt und wie unser Körper darauf reagiert. Wir haben auch darüber gesprochen, dass Stress nicht immer schlecht ist. Er kann uns in herausfordernden Situationen leistungssteigernd unterstützen.
In diesem Teil werden wir uns mehr auf den Distress fokussieren. Warum Stress negative Folgen hat und welche auftreten können. Dabei schauen wir auf die physische, emotionale und die Verhaltensebene. Zuerst suchen wir nach einer Erklärung, warum wir heutzutage mehr mit Stress zu kämpfen haben, als es noch vor 50 Jahren der Fall war.
Schneller, höher, weiter . . . Der Nährboden von Stress
Stress ist omnipräsent
Bitte schau einmal in dein Umfeld: Freunde, Familienmitglieder, Arbeitskollegen, Nachbarn. Gibt es dort noch Menschen, die in den letzten Wochen nicht einmal von sich behauptet haben, gestresst zu sein? Jetzt kann man natürlich sagen, dass der Begriff einfach inflationär verwendet wird. Vielleicht, vielleicht aber auch nicht. Ich denke schon, dass wir uns alle in der heutigen Welt ein wenig getrieben fühlen. Es muss immer höher, schneller, weiter gehen, ständig auf der Eile zum nächsten Termin, zur nächsten Aktivität. Was gestern noch ausreichend war, muss heute übertroffen werden. Immer mehr Leistung, wachsende Ansprüche an uns selbst, größere Herausforderungen, Optimierungen und Hektik ziehen sich durch unseren Alltag.
Kannst du auch einmal nichts tun?
Schau einmal auf deine letzte Woche zurück. Gab es da tagsüber auch nur 15 Minuten, in denen du einfach nichts gemacht hast? Keine Aktivität, kein Smartphone, kein TV, kein Buch, keine Musik, keine neuen Impulse. Ich kann mich da selbst nicht von frei sprechen. Sofort nach dem aufstehen beginnen die Aktivitäten, ein Meeting jagt das nächste, die Freizeit ist mit Haushalt, Sport oder anderen Terminen vollgestopft. Abends im Bett kommen wir dann zur Ruhe und können erstmals die Inhalte und Eindrücke des Tages verarbeiten, bis wir dann irgendwann einschlafen.
Wie sieht / sah das bei euren Großeltern aus? Die konnten stundenlang auf dem Balkon, der Terrasse oder auf einer Parkbank sitzen und einfach nichts tun. Das Smartphone war bei ihnen noch kein angewachsenes Körperteil. Ich behaupte, dass sie weniger gestresst waren als wir. Heutzutage kann fast niemand mehr in einem Stau, an der Kasse oder in einer Warteschlange stehen, ohne das Smartphone zur Hand zu nehmen. Selbst während des Essens, während Gesprächen und der Arbeit nehmen wir es viel zu oft zur Hand.
Unser Lebensstil fördert Stress
Wir haben uns einen Lebensstil angeeignet, der nicht mehr der Natur unseres Körpers entspricht. Wir ernähren uns ungesünder und unnatürlicher (Fast Food, Fertigprodukte) und überlasten unser Nervensystem durch die ständigen Reize aus dem Smartphone und TV und werden noch ganz nebenbei mit unzähligen blinkenden lauten Werbebotschaften penetriert. Vor lauter Arbeits- und Alltagsstress befriedigen wir auch unsere sozialen Bedürfnisse nur noch unzureichend. Dass der Platz am Schreibtisch ebenso wenig zur Bewegung einlädt, wie das Auto, welches wir bereits für die kleinsten Strecken nutzen, unterstreicht den unnatürlichen Lebensstil.
Mich wundert es nicht, dass unser Nervensystem damit völlig überfordert ist. Vor lauter Geschäftigkeit haben wir verlernt, in dieser zivilisierten und technologisierten Welt angemessene Verhaltensweisen zu erlernen, die unserem Körper, der Psyche und dem emotionalen System Zeit zur Erholung, sowie einen Ausgleich von diesen ganzen Reizen verschaffen. Das Problem ist demnach nicht die Stressreaktion selbst. Denn diese schreit uns förmlich an, dass etwas aus dem Ruder gelaufen ist. Und wozu das führt, besprechen wir jetzt.
Die Folgen von Stress
Du weißt bereits, dass wir uns nur noch selten in wirklich lebensbedrohlichen Situationen befinden. Vielmehr sind es die kleinen andauernden Stressoren, die unser Nervensystem aus dem Gleichgewicht bringen. Wenn das sympathische Nervensystem dauerhaft aktiv ist, ohne vom parasympathischen System reguliert und ausbalanciert zu werden, hat das diverse Konsequenzen. Daher rekapitulieren wir noch kurz einmal die Reaktion des sympathischen Nervensystems. Es setzt zunächst Adrenalin und Noradrenalin frei, was in den Organen zu einer Erhöhung der Herzschlagfrequenz führt, einer gesteigerten Sauerstoffaufnahme, der Hemmung von Darm-, Harn- und Entgiftungsfunktionen und einer höheren Schweißproduktion. Da dieser Prozess sehr energieraubend ist, benötigt der Körper anschließend unbedingt eine Erholungsphase und eine angemessene Nahrungsaufnahme, welche durch das anschließend aktivierte parasympathische System begünstigt wird. Und hier wird bereits deutlich, was es heißt, wenn wir uns ständig im Stressmodus befinden: erhöhter Herzschlag, Hemmung diverser Körperfunktionen und ein erhöhter Energiebedarf… Doch schauen wir es uns genauer an!
Kurz- und langfristige Folgen
Bleibt unser sympathisches Nervensystem andauernd aktiv, kann das negative Folgen haben. Dabei unterscheiden wir zwischen kurz- und langfristigen Folgen. Sie alle resultieren aus der anhaltenden Aktivität des Sympathikus. Die physischen Folgen sind deutlich spürbar. Bei den emotionalen Folgen und denen auf der Verhaltensebene müssen wir uns etwas genauer reflektieren, unsere Gefühlswelt, Gedanken und Verhaltensweisen wahrnehmen.
kurzfristige Folgen
Auf physischer Ebene können Kopfschmerzen und Verspannungen (Schulter, Rücken) auftreten, der Magen kann übersäuern oder es können Verdauungsbeschwerden auftreten. Auf der Gefühlsebene können diverse Folgen erlebt werden. Die innere Anspannung, Nervosität, Unkonzentriertheit, Überempfindlichkeit, Energieverlust, geringere Lern- und Gedächtnisfähigkeit, Unsicherheit, Interessensverlust und Überforderung. In der Interaktion mit anderen Menschen kann es zu einer erhöhten Gereiztheit und Aggressivität kommen, welche in stressverstärkende Konflikte münden können. Auch ein erhöhter Medikamenten-, Nikotin- oder Alkoholkonsum sind der Verhaltensebene zuzuordnen. Unsere schlechtere sensorische oder motorische Koordination kann ebenfalls eine Folge von Stress sein.
Wenn beim auftreten dieser Folgen nicht zeitnah eine Erholungsphase einsetzt, können daraus langfristige stärkere Folgen entstehen. Nicht zu vernachlässigen ist dabei, dass diese ganzen aufgezählten Folgen sich auch gegenseitig beeinflussen und verstärken können.
langfristige Folgen
Die stetig erhöhte Herzfrequenz kann schließlich zu Herz-Kreislaufstörungen (Bluthochdruck, Herzinfarkt) führen. So kann es auf der physischen Ebene auch zu Migräne, Diabetes oder Magengeschwüren führen. Die genannten kurzfristigen Folgen auf emotionaler Ebene können in einem Gefühl der Hilfslosigkeit, Erschöpfung, Schlafstörungen, sexuelle Funktionsstörungen, Angstzustände oder zu einer Depression führen. Wer dauerhaftem Stress ausgesetzt ist, wird sich langfristig auch sozial isolieren. Darunter leidet die Partnerschaft ebenso wie es auch auf der Arbeit zu Fehlzeiten und Konflikten kommen kann. Es entsteht demnach allgemein eine soziale Unbeliebtheit.
Je weiter dieser Prozess fortgeschritten ist, desto schwerer wird es, dort wieder herauszukommen.
Symptome und Entstehung des Burnouts
Nicht nur “Stress” ist für viele ein oft verwendeter, doch relativ schwammiger Begriff. Der Burnout wird ebenso im selben Kontext verwendet und als Endstadium oder schlimmste Version von Stressreaktionen betrachtet. Der Burnout besitzt kein klares Krankheitsbild, sodass dieser an festen Parametern identifiziert werden könnte. Ich möchte an dieser Stelle insgesamt etwas mehr für Klarheit sorgen und sowohl den Begriff genauer definieren, als auch die Kennzeichen und Symptome aufführen, in der wir die bereits skizzierten kurz- und langfristigen Folgen im Kontext der Burnout-Diagnose noch weiter unterteilen.
Was bedeutet Burnout?
Übersetzung von Burnout = ausbrennen?
Befassen wir uns nun einmal mit dem Begriff des Burnouts. In der Literatur wird er mit “ausbrennen” übersetzt. Ein Haus kann beispielsweise ausbrennen. Dabei gibt es ein Initialereignis, welches ein starkes Feuer verursacht. Das Bild passt meiner Meinung nach nicht zum Krankheitsbild des Burnouts, da es auf einen lang andauernden Prozess zurückzuführen ist. Andererseits käme die Kernsanierung eines ausgebrannten Hauses der Regeneration eines Burnouts nahe.
Übersetzung von Burnout = durchbrennen?
Noch unpassender ist der Begriff des Durchbrennens. Auch eine Sicherung brennt auf Grund eines plötzlich auftretenden Ereignisses durch und führt zum sofortigen Stillstand. Wird die Sicherung ausgetauscht, läuft alles wie gewohnt. Alles sehr konträr zum Burnout.
Übersetzung von Burnout = abbrennen?
Am nächsten kommt da der Begriff des Abbrennens, wie es eine Kerze macht. Sie hat eine gewisse Kapazität und brennt immer weiter runter, bis sie komplett abgebrannt ist und das Feuer erlischt. Nur wird die Kerze nie wieder brennen können, für immer Vergangenheit. Das trifft ebenfalls nicht auf den Burnout zu.
Begriffssklärung des Burnouts
Also entfernen wir uns von der freien Übersetzung und machen ein neues Bild auf. Der Burnout ist ein Resultat einer lang andauernden überhöhten Energieabgabe mit zu geringem Nachschub, sodass die Wirkung für die Zielerreichung letztendlich nicht ausreicht und das System zum Erliegen kommt. Stellen wir uns also ein zu 100% solarbetriebenes Haus vor. Im Sommer funktioniert es einwandfrei. Wenn der Winter naht, sind die Energiespeicher voll, doch die Sonnenstunden verringern sich zunehmend.
Und genau dann benötigen wir mehr Energie, da wir mehr Licht benötigen, wenn wir uns länger im Haus aufhalten. Je weiter der Winter voranschreitet, desto weiter leeren sich die Energiespeicher und desto weniger Sonnenstunden zur Regeneration haben wir. Um Strom zu sparen, werden gewisse Stromfresser abgeschaltet und irgendwelche Auswege gesucht, um den Prozess in die Länge zu ziehen. Doch ohne Sonnenlicht erhalten wir nicht die volle Leistung zurück. Der Burnout ist der Zustand, wenn die Energiespeicher und Sonnenstunden den Energiebedarf nicht mehr decken können und die Stromversorgung endet. Nun braucht es viel Zeit, bis die Energiespeicher wieder aufgefüllt und wir unser Leben wie gewohnt weiterleben können.
Die Phasen eines Burnouts
In der Literatur gibt es diverse Phasenmodelle. Letztendlich ist es ein Teufelskreis aus vermehrter Anstrengung, Enttäuschung, fehlender Regeneration und seelischer Belastung. Einem Burnout geht kein Initialerlebnis voraus, sondern ist es eine Summierung diverser kleinerer dauerhafter Stressoren. Ich möchte den Verlauf in 4 Stadien unterteilen, auch wenn die Übergänge der Stadien fließend und nicht genau voneinander zu unterteilen sind.
Stadium 1: Stressauslöser
- erhöhter Energieeinsatz: Hyperaktivität, freiwillige Mehrarbeit, Begeisterung, Gefühl der Unentbehrlichkeit
- andauernder Berufsstress: hohes Arbeitspensum, Zeitdruck, lange Reisezeiten
- hohe emotionale Anforderungen: soziale Konflikte, geringe Wertschätzung, schlechtes Betriebsklima
Stadium 2: Warnsymptome
- Erschöpfung: Müdigkeit, Aufmerksamkeitsstörungen, Anspannung, Unfähigkeit zur Erholung, Energiemangel, Anzeichen von Antriebslosigkeit
- Emotionalität: Überforderung, Nervosität, Überempfindlichkeit
- Leistungsabfall: geringere Erinnerungsfähigkeit, steigende Fehlerhäufigkeit, geringere Produktivität, geringere Flexibilität
- Eigenwahrnehmung: keine Zeit für andere Dinge haben, Verdrängung von Misserfolgen
Stadium 3: reduziertes Engagement und emotionale Reaktionen
- Engagement: Verlust des Idealismus, Zynismus, Widerwille, nicht-Einhaltung der Arbeitszeiten, Negativismus, Leere, Widerstand gegen Veränderung, Entscheidungsunfähigkeit, Desorganisation
- soziale Konflikte: Erhöhung der Distanz, Schuldzuweisungen, Empathieverlust, Verständnislosigkeit, Aggression, Reizbarkeit, Intoleranz
- Emotionalität: Selbstmitleid, Angst, Hilflosigkeit, Traurigkeit, Frustration, Niedergeschlagenheit
- veränderte Essgewohnheiten
- physische Erschöpfung
Stadium 4: Verzweiflung
- Psychosomatische Reaktionen: Schlafstörungen, Atembeschwerden, nervöse Ticks, erhöhter Blutdruck, Kopfschmerzen
- Emotionalität: Gleichgültigkeit, Hoffnungslosigkeit, existenzielle Verzweiflung
- vermehrter Konsum suchtfördernder Substanzen
- sozialer Rückzug
- negative Lebenseinstellung und Resignation
- Suizidabsichten
Wir können also festhalten, dass andauernder Stress zunehmend schlimmere Symptome hervorruft. Der Körper schreit immer lauter nach Aufmerksamkeit und will uns sagen, dass wir uns selbst schaden. Je länger wir die Symptome nicht berücksichtigen umso stärker fallen die funktionellen und emotionalen Entgleisungen aus. Dabei hilft es nicht, wenn wir uns an die Stressbelastung gewöhnen, denn die innerliche Stressreaktion besteht weiterhin, auch wenn wir uns selbst vormachen, dass Stress nichts Neues ist.
Welche Phasen hast du schon erlebt?
Hast du dir in einer stressigen Phase auch einmal gesagt, dass es in 4 Wochen bis xy wieder bergauf geht? Ich werde bei solchen Sätzen mittlerweile umso hellhöriger. Denn meistens ist es ja so, dass die aktuell bestehenden Aufgaben vielleicht in 4 Wochen alle erledigt sein könnten. Doch in der Gleichung fehlt, dass auch bestimmt wieder neue Aufgaben hinzukommen werden und diese die stressige Phase ausdehnen. Im Idealfall wird es vielleicht so sein, dass in 4 Wochen ein wichtiger Meilenstein erreicht wird und tatsächlich etwas Luft rausgenommen wird. Doch die Reduktion der Wochenarbeitsstunden von 55 auf 40 ist noch lange keine Erholung, sondern nur ein weniger anstrengender Zustand.
Nach einer solchen Phase braucht es zwingend wirkliche Erholung. Kein Wochenende ohne Arbeit, sondern eine längere Zeit der Erholung mit viel Entspannung, den Kopf von der Arbeit frei machen und geringe Anstrengung des Körpers. Wer in seinem Urlaub die Alpen überquert, hat wenig für seine Erholung getan, sondern wird den Prozess eher verschlechtert haben.
Ist jeder gleich gefährdet?
Es wird zwischen 3 Stresstypen unterschieden, die ich kurz aufführen möchte. Dabei geht es eher um charakterliche Eigenschaften, die gewisse Stressreaktionen zur Folge haben. Trotz dieser Kategorisierung kommt es nach wie vor auf die Rahmenbedingungen, die erlernten Stressreaktionen und individuellen Bewertungen der Stressoren an.
Stresstyp A: “Sympathikus”
Bei Stresstyp A erzeugt der Sympathikus eine verstärkte Ausschüttung von Adrenalin und Noradrenalin. Diese Personen leiden unter verstärkten Reaktionen auf das sympathische Nervensystem, wie erhöhter Blutdruck, gesteigerte Herzaktivität und einer höheren Schweißabsonderung. Durch den schnelleren Abbau der Energiereserven entsteht eine geringere Insulinfreisetzung und der Blutzuckerspiegel steigt an. Meist sind dies dominante, ehrgeizige, aggressive, aufbrausende Menschen. Sie sprechen laut und schnell, haben ständig Zeitdruck und regen sich häufig auf. Auf Grund ihres hohen Engagements fühlen sie sich für alles verantwortlich, scheitern jedoch irgendwann an Selbstüberschätzung und Selbstüberforderung. Sie haben ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Herzinfarkt und leiden häufiger unter Bluthochdruck.
Stresstyp B: “Resilienz”
Der Stresstyp B hat hingegen einen positiven Umgang mit Stress erlernt. Trotz hohem Engagement hat er die Fähigkeit zur Erholung und Entspannung. Sie wirken nach außen sehr ausgeglichen, ruhig und selbstsicher. Sie verhalten sich meist beherrscht und verlieren nie die Fassung. Sympathikus und Parasympathikus sind in Balance zueinander, sodass eine Burnoutgefahr relativ gering ist.
Stresstyp C: Parasympathikus
Bei Stresstyp C ist eine erhöhte Reaktion des parasympathischen Nervensystems zu beobachten. Dadurch haben sie häufig kalte Hände, niedrigen Blutdruck und leiden unter einer verstärkten Aktivität des Magen-Darm-Traktes. Auf Grund der geringeren Aktivität des Immunsystems sind sie anfällig für Erkältungen oder Schnupfen, da die Abwehrreaktionen und Antikörperbildung gehemmt sind. Diese Menschen sind eher passiv, ängstlich und weichen Konflikten aus, indem sie sich zurückziehen und negative Gefühle in sich hineinfressen. Dadurch fühlen sie sich oft hilflos und hoffnungslos. Nach außen bleiben sie jedoch weiter freundlich und hilfsbereit, ohne eigene Ansprüche zu erheben. Sie neigen zu depressivem Verhalten und haben ein erhöhtes Risiko zu Infektionskrankheiten, Magen- oder Darmgeschwüren und Krebskrankheiten.
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Wie hängen unsere Emotionen mit dem Stress zusammen?
An anderer Stelle haben wir uns schon einmal mit Emotionen beschäftigt. Dort haben wir festgehalten, dass eine Emotion eine gedankenbasierte Empfindung ist, welche sich auf ein Objekt oder einen Gegenstand bezieht und eine darauf basierende Handlungsbereitschaft hervorruft. Und genau das ist es auch, was einer Stressreaktion vorausgeht.
Wir reagieren auf etwas, was Emotionen (Gefühle ebenso wie körperliche und gedankliche Reaktionen) in uns auslöst. Starke Emotionen lösen demnach eine Stressreaktion in uns aus. Wir sollten lernen, mit diesen Emotionen umzugehen und diese auch zu kommunizieren. Ebenso, was wir genau von unserem Gegenüber brauchen (Ratschlag oder Zuhören). Denn wer sich unverstanden fühlt, fühlt sich irgendwann auch einsam, was ein weiterer Stressor ist.
Dem Thema der Grundemotionen werden wir allerdings noch einen eigenen Beitrag widmen. Dennoch schauen wir uns einmal 4 stressrelevante Emotionen genauer an.
Emotion Wut
Wut ist eine Art stressige Kampfreaktion und demnach die am wenigsten gesellschaftskonforme Emotion. Sie wurde uns in der Gesellschaft abtrainiert, da es sich nicht gehört laut zu schreien oder Sachen durch die Gegend zu werfen. Doch leider ist auch genau das Problem dabei. Wir unterdrücken sie, bis sie dann in Extremform aus uns raus platzt.
Letztendlich ist Wut eine sehr starke Form, seinen Unmut oder eine Form der Ohnmacht zum Ausdruck zu bringen. Es hilft also, sich mit dem Ursprung der Wut auseinanderzusetzen. Grundsätzlich sollte Wut nicht zum Schaden anderer führen oder gar dazu dienen, geliebte Menschen aus dem nahen Umfeld als Ventil zu nutzen. Das Ziel ist es, die Kontrolle über die Emotion, Psyche, Körper und Situation zu bewahren, was nur funktioniert, wenn die Ursache bekannt ist. Wir benötigen also gewissen Reflexionsfähigkeiten und das Wissen über Stresssignale. Dabei kann es helfen in Form einer Ich-Botschaft eine Änderung der Situation zu kommunizieren. Sie wirkt deeskalierend und lädt den Gesprächspartner ein, an der Änderun der Situation mitzuwirken.
Emotion Trauer
Trauer in seiner extremsten Form ist ein sehr starker Stressor. Sie tritt beispielsweise beim Tod eines geliebten Menschen oder bei einer Trennung auf, wobei jeweils schnelle und heftige langanhaltende Reaktionen auftreten.
Bei der Trauer ist es meist so, dass eine sehr tiefe ungewollte Veränderung gewohnter Strukturen, Rituale und Lebensgewohnheiten stattfindet. Es geht bei der Trauer darum, sich Zeit für die eigene Anpassungsreaktion zu nehmen, doch sich selbst auch klarzuwerden, dass es nie wieder werden kann wie es einmal war und die Vergangenheit auch nicht mehr rückgängig oder verändert werden kann. Es hilft also, nach vorne zu blicken und das “neue” Leben zu beginnen.
Emotion Freude
Du fragst dich sicher, warum Freude im Zusammenhang mit Stress aufgezählt wird. Die normale gesunde Freude ist hiermit auch nicht gemeint. Wenn du dich über etwas freust, dann ist das wunderbar und absolut nicht stressfördernd. Doch gibt es Dinge, die wir einmal auf Grund von Freude begonnen haben, die sich dann aber zu einer Art Extremform entwickelt haben, der sogenannten stressinduzierten Freude (Euphorie). Als Beispiel möchte ich hier die Adrenalin-Kicks, wie Bungee-Jumping oder andere Formen der Überwindung von Todesangst nennen.
Du erinnerst dich, dass bei einer Stressreaktion als erstes Adrenalin ausgestoßen wird. Wer diesen Vorgang bewusst hervorruft, erhöht die Gefahr von chronischem Stress. Denn dieser Adrenalinstoß muss nach und nach in immer kürzeren Zyklen und mit riskanteren Formen erzeugt werden. Dennoch gelten hier dieselben Erholungsmechanismen, wie sie bei jeder anderen Stressreaktion auch vorliegen.
Emotion Angst
Angst ist der häufigste Auslöser von Stress
Kommen wir nun zu der wohl häufigsten Stressursache. Die Angst tritt immer als Überlebensprogramm des limbischen Systems auf, wenn wir eine Situation auf Grundlage unserer Erfahrungen nicht einschätzen können und sie als sehr herausfordernd einschätzen. Sie warnt uns vor Gefahren und möchte unser Überleben sichern. Wenn eine Gefahr nicht verarbeitet werden kann, dann reagieren wir mit Angriff, Flucht und Erstarrung.
Angriff bedeutet, dass wir den Angreifer oder auch andere Personen anschreien oder gar seelischen und körperlichen Schaden zufügen wollen.
Eine Fluchtreaktion dient ausschließlich dem Ziel, der Situation schnellstmöglich zu entkommen. Bei einem Überfall kann das helfen. In unserem Alltag kann es ebenso helfen, um Abstand zu einer Situation zu gewinnen. Vor unseren Aufgaben und Mails können wir leider nicht weglaufen, versuchen es aber trotzdem. Du hast doch sicherlich auch schon in stressigen Phasen plötzlich die Hausarbeit erledigt oder dich mit anderen weniger anspruchsvollen Aufgaben abgelenkt. Am schlimmsten ist, wenn wir Kompensationsmechanismen nutzen (Alkohol, Nikotin, Medikamente, Shopping), um der Situation zu entfliehen.
Doch die schlimmste Angstreaktion ist die Erstarrung, indem du dich vor lauter Angst nur noch verkriechen möchtest und nichts mehr tun kannst. Die Erstarrung kann ein Vorbote einer Depression sein und sollte nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Es wird umso schwerer, aus einer solchen passiven Reaktion wieder herauszukommen, je länger sie andauert.
Der Umgang mit der Angst
Es gibt 3 Möglichkeiten, um die inneren Ängste anzunehmen und zu relativieren. Wenn du dir selbst vor Augen führst, ob du eine ähnliche Situation bereits gemeistert hast, kann das die Reaktion abmildern. Du besinnst dich auf deine eigenen Kompetenzen und beruhigst dich damit selbst, indem du die Herausforderung positiver annehmen kannst.
Eine weitere Möglichkeit ist die Unterstützung durch andere. Wenn jemand aus der Familie / Freunde / Arbeitskollegen dir Hilfestellung geben können oder ihr die Situation gemeinsam bewältigen könnt, dann wird die Last auf mehrere Schultern verteilt und beruhigt die eigenen Ängste.
Die dritte Möglichkeit ist mehr eine positive Haltung anstatt eine konkrete Handlung. Wer Vertrauen in die Zukunft hat und dem Leben positiv gegenübersteht, wird sich selbst beruhigen und den Druck aus der Situation nehmen können. Auch wenn es jetzt anstrengend wird, der Ausgang ungewiss ist, ich werde es überleben und am Ende wird immer alles gut.
Angst ist ein schlechtes Druckmittel
Zudem sollte Angst nicht genutzt werden, um anderen unsere Sorgen aufzudrücken oder ihnen Leid zuzufügen (“Ich mache mir Sorgen über dich.”). Auf dem ersten Blick ist dieser Satz nett gemeint, doch ist ihr Ursprung meist eine eher unbegründete Form der Angst. Sie kann dem Sorgen-Empfänger eine zusätzliche Last aufbürden, indem er sich gedrängt fühlt, sich selbst auf Grund der Sorgen zu verändern. Ebenso können Ängste zur emotionalen Erpressung als heftiger Stressor fungieren. (“Wenn du xxxx nicht tust, dann rufst du Trauer bei xy hervor.”) Dadurch werden Abhängigkeiten geschaffen, die weder existieren, noch förderlich sind.
Angstzustände sollten auf Grund der Reizüberflutung und dem automatischen Überlebensprogramm ständig hinterfragt werden, da sie aus einer großen Unsicherheit und Unwissen resultieren. Meist sind die Überlebensprogramme übertriebene Reaktionen destruktiven Verhaltens.
Zusammenfassung und Ausblick
Damit haben wir den zweiten Teil der Serie geschafft.
Stress ist ein viel verwendetes Wort. Wir haben gelernt, dass es bei unserem Lebenswandel auch kein Wunder ist, dass sich der Großteil von uns in irgendeiner Form gestresst fühlt. In besonders herausfordernden und / oder lang anhaltenden Stresssituationen können neben den kurzfristigen Folgen auch längerfristige Folgen beobachtet werden, wie Herz-Kreislauf-Beschwerden, Migräne, Magengeschwüre oder Angstzustände. Andauernder Stress kann schließlich in einem Burnout münden, welcher in schlimmster Form in sehr ausgeprägter Verzweiflung zum Suizid führen kann. Eng mit den Stressreaktionen verbunden sind die stressfördernden Emotionen, wie Freude, Wut, Trauer und Angst. Vor allem Ängste lassen unsere automatischen Überlebensprogramme anspringen und wir reagieren mit Angriff, Flucht oder Erstarrung.
Der letzte Teil beinhaltet schließlich die Maßnahmen und Formen der Prävention von Stress. Wir schauen uns die Möglichkeiten an, wie wir unsere Wahrnehmung verändern können und den Informationsstress reduzieren können. Zum Schluss schauen wir uns an, was sich hinter den Begriffen der Resilienz, Coping und Salutogenese versteckt.
In diesem Sinne: Bleib niemals wie du heute bist!
Teil 1: Worauf reagieren wir in stressigen Situationen?
- Was ist Stress?
- Welche Stressoren gibt es?
- Was passiert im Körper?
- Ist Stress immer schlecht?
Teil 3: Wie du angemessen mit Stress umgehen kannst
- Selbstwahrnehmung
- Selbstbestimmung
- Bewältigung von Stressreizen
- Aufbau einer Widerstandsfähigkeit